Auf dünnem Eis, Kommentar zu Börsengängen von Christoph Ruhkamp

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Frankfurt (ots) –

Vom jetzt offiziell angekündigten Börsengang der United-Internet-Tochter Ionos wird erhofft, dass er zum Eisbrecher für den deutschen und europäischen Markt wird. Mit Ausnahme von Porsche im September muss man bis zum Debüt der italienischen Wasserstofffirma Industrie de Nora im Juni 2022 zurückgehen, um ein europäisches IPO nennenswerter Größe zu finden. Prinzipiell hat der Webhosting-Spezialist Ionos das Zeug dazu, die schlechten Erfahrungen der Investoren mit Technologie-Werten vergessen zu machen. Das Unternehmen wächst nicht nur schnell, sondern es sollen auch bald vom Umsatz, der im Jahr 2023 bei 1,4 Mrd. Euro liegen dürfte, mehr als 30 % als operativer Gewinn hängenbleiben.Für Investoren gibt es indes zwei Warnzeichen: Sie sollen das 14-Fache vom operativen Ge­winn für die Aktien zahlen – eine Bewertung, die zwar hinter den Tech-Übertreibungen des Jahres 2021 zurückbleibt, aber in einem Umfeld mit hohen Abflüssen aus Aktienfonds ehrgeizig wirkt. Und es gibt keinerlei neue Aktien, deren Erlös das weitere Wachstum finanziert. Vielmehr machen nur die beiden Altaktionäre Kasse – United Internet (75,1 %) und der Finanzinvestor Warburg Pincus (24,9 %).Selbst wenn das gut geht, wird Ionos kein Eisbrecher in dem Sinne, dass sofort etliche Nachahmer folgen würden. Dafür ist es zu spät. Nach der 135-Tage-Regel darf der letzte Finanzabschluss nicht länger zurückliegen, als es ebenjener Zeitspanne entspricht. Das nächste Zeitfenster für IPO-Kandidaten wie den Tankkartenanbieter DKV Mobi­lity, die Springer-Stellenbörse Stepstone oder den Medikamentengläschenhersteller Schott Pharma kommt also erst Ende März mit der Jahresbilanz für 2022 im Gepäck. Dass es jetzt noch auf die Schnelle zu einer “Block-Bonanza” kommt, bei der mehrere IPOs um die Aufmerksamkeit der Anleger konkurrieren, ist unwahrscheinlich. In der dritten Woche des Jahres ist es auf Europas Markt für Aktienemissionen immer noch ruhig – obwohl der Volatilitätsindex Vix, das “Angstbarometer”, unter die Marke von 20 gefallen ist, deren Unterschreiten als Voraussetzung für Börsengänge gilt, und obwohl die europäischen Märkte fast durchweg im grünen Bereich notieren, der Euro ­Stoxx 50 mit einem Plus von fast 10 %. Viele Alteigentümer warten auf wei­tere Kursgewinne, be­­­vor sie per IPO aussteigen.Die noch ausstehende Veröffentlichung der Jahresergebnisse der Unternehmen ist dabei der wichtigste Faktor, der die Emissionstätigkeit bremst, und es wird erwartet, dass dies die Aktivität noch einige Wochen lang dämpft, bis die Märkte die Bilanzen verdaut haben. Der Schlüssel zu einem gut funktionierenden Aktienemissionsmarkt liegt in Stabilität und Transparenz der Entwicklung der nächsten sechs Monate. Investoren ist es wichtig zu wissen, wann die Zentralbanken ihre Straffungsmaßnahmen ab­geschlossen haben und wann die Lieferketten wieder repariert sind, damit der Markt wieder in Fahrt kommt.Die Abschwächung der Null-Covid-Politik in China und die Verbesserung der Inflationsaussichten helfen bereits. Da Anleihen aber nun zum ersten Mal seit Jahrzehnten attraktive Renditen abwerfen, gibt es jetzt eine Alternative zu den Aktienmarktrenditen. Das legt die Messlatte für IPO-Investitionen höher.

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Quelle:Auf dünnem Eis, Kommentar zu Börsengängen von Christoph Ruhkamp


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