Machtmensch / Kommentar von Friedrich Roeingh zu Bundeskanzler Olaf Scholz

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Mainz (ots) –

Die beste Schlagzeile zum Wachwechsel im Kanzleramt hat in den vergangenen Tagen mal wieder die “taz” ausgerufen: “Neue Merkel-Variante setzt sich durch”. Wenn Olaf Scholz Humor hat, wird er über die Analogie zu den Virus-Mutanten schmunzeln können. Über den Vergleich mit der leisen Machtmaschine Merkel wird er sich eh nicht beschweren. Mit der Merkel-Devise “Sie kennen mich” hat Scholz schließlich die Wahl gewonnen. Der Scholz, den die SPD noch bei seinem Versuch, den Parteivorsitz zu erringen, hatte auflaufen lassen. Der Scholz, dem so gut wie kein Beobachter zugetraut hatte, die einst am Boden liegende 15-Prozent-Partei zum Wahlsieg zu führen. Scholz ist nicht nur wie Merkel von Natur aus kein Lautsprecher. Er ist auch mit ihrer Strategie gut gefahren, nur selbst keine Fehler zu machen und die politischen Leichen der anderen – in diesem Fall die von Armin Laschet und Annalena Baerbock – an sich vorbeiziehen zu lassen. Man muss die Parallelen zu Angela Merkel aber auch nicht überstrapazieren. Sie werden Scholz nicht von selbst die achtjährige Kanzlerschaft bescheren, die er anstrebt. Tatsächlich hat noch keine Bundesregierung bei ihrem Amtsantritt vor so großen Herausforderungen gestanden. Punkt 1: Allein die Beherrschung der Pandemie ist überwältigend. Damit hätten Rot, Grün und Gelb ihren Neustart fast schon verspielt. Und die Chance, diesen Start zu verspielen, werden sie den langen Corona-Winter über immer wieder haben. Punkt 2: Der Aufbruch, den die Ampel vor sich herträgt, findet sich im Koalitionsvertrag nur in homöopathischen Dosen. Das gilt vor allem für die Klimawende. “Nur nicht zu viel Aufbruch wagen” wäre die ehrlichere Überschrift über diesem Vertrag. Dafür sind die fehlenden Stimmen bei der Kanzlerwahl aus den Reihen der Ampel-Koalition die Quittung. Punkt 3: In keiner Bundesregierung zuvor war das Austarieren der Machtbalance so schwierig. Noch nie war die Partei des Kanzlers so schwach. Noch nie hat ein Kanzler mit zwei Partnern regieren müssen, die sich – wenn sie sich einig sind – jeden Tag einen anderen König wählen können. Allerdings ist es genau diese komplexe Machtbalance, mit der Olaf Scholz bisher glänzend umzugehen weiß. Den anfänglichen Eindruck, hier führten die Grünen und die Liberalen die SPD, hat er schon vor seinem Amtsantritt abgeräumt. Das Verkehrsministerium hat er geschickt den Liberalen zugeschustert und damit nachhaltig die Grünen verunsichert. Und die FDP ist einstweilen damit beschäftigt, die Scherben ihrer katastrophalen Pandemiepolitik aufzulesen. Scholz hat sein Geschick zum Machtausbau auch in der angeblich so selbstzerstörerischen SPD bewiesen. Mit dem smarten neuen Parteichef Lars Klingbeil ist die bärbeißige Parteilinke Saskia Esken wirkungsvoll eingehegt. Kevin Kühnert, ihr einst so gefährlicher Adjutant, kann und muss sich als Generalsekretär jetzt ganz der Absicherung der Macht widmen. Und bei der Besetzung der Ministerien hat Scholz seiner Partei all die Häuser gesichert, die die sicherheitssüchtigen Deutschen mit Sicherheit verbinden: das Innenministerium, das Verteidigungsministerium und das Arbeits- und Sozialministerium. Die Willy-Attitüde vom Aufbruch wagen, wird Olaf Scholz schnell vergessen machen. Hier hat ein Arithmetiker der Macht die Macht angetreten. Dabei wäre Scholz gut beraten, sich nicht länger nur an das Vorbild Angela Merkel anzulehnen. Er könnte auch langsam mal den Geist Helmut Schmidts wachrufen. Aber mit dem hanseatischen Macher und Pragmatiker kann man jenseits der SPD offenbar besser punkten als bei den eigenen Genossen.

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