Unglücklich / Kommentar von Johanna Dupré zum Unwort des Jahres

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Mainz (ots) –

Pushback ist also das Unwort des Jahres 2021 – kritisiert die Unwort-Jury jetzt etwa auch Anglizismen? Nein, natürlich nicht – obwohl auf den ersten Blick schwer verständlich ist, was an “Pushback” problematisch sein soll. Also an dem Wort, nicht an der menschenverachtenden Praxis, Flüchtende an Europas Außengrenzen gewaltsam am Grenzübertritt zu hindern und ihnen so das Grundrecht auf Asyl zu verweigern. Das aus dem Englischen entlehnte Wort “Pushback” wirkt dagegen recht wertneutral – und genau da liegt das Problem. Zu Recht kritisiert die Unwort-Jury, dass seine Verwendung die brutale Realität verschleiert – und doch gesellschaftlich so verbreitet ist, dass es sogar von Hilfsorganisationen wie “Pro Asyl” genutzt wird. Die Unwort-Jury will also ein klassisch sprachkritisches Zeichen setzen: zum Nachdenken über die Probleme eines Begriffs anregen, der von den allermeisten wohl zunächst nicht als Problem empfunden werden dürfte. Das ist nachvollziehbar – und doch wirkt die Wahl in unseren sprachverrohten Zeiten, die zu oft von offensichtlich menschenverachtenden Entgleisungen geprägt sind, unglücklich. Wie ein Fehlgriff. Ein die NS-Zeit verharmlosendes Unwort wie “Impfnazi”, gerne in Verbindung mit dem durchaus ebenfalls diskriminierenden Begriff “Tyrannei der Ungeimpften”, hätte die gegenwärtige Polarisierung unserer Gesellschaft greifbarer gemacht. Die sich im Übrigen auch im auf Platz zwei gewählten Wort “Sprachpolizei” kristallisiert – das aber aus anderen Gründen unglücklich ist, könnte man doch auf den Gedanken kommen, die Unwort-Jury wehre sich damit gegen ihre eigene Diffamierung.

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Quelle:Unglücklich / Kommentar von Johanna Dupré zum Unwort des Jahres


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