Berliner Morgenpost: Was fehlt, ist ein Plan / ein Kommentar von Theresa Martus zur Klimapolitik der Bundesregierung

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Berlin (ots) –

In den besten Zeiten sind Haushaltspläne und Finanzierungsfragen nicht unbedingt das, was die meisten Leute spannend nennen würden. Im Gerangel um Aufmerksamkeit und Schlagzeilen gewinnen sie nur selten. Das gilt umso mehr, wenn die Zeiten nicht zu den Besten gehören. Wenn im Nahen Osten täglich Menschen sterben, wenn die Ukraine immer noch um ihre Freiheit kämpfen muss, wenn in Deutschland der immer präsente Antisemitismus plötzlich grell ausgeleuchtet wird und der gesellschaftliche Zusammenhalt zunehmend bedroht scheint.

Wenn es dann auch noch um Finanzierungsfragen für Klimaschutz geht, wird es noch schwieriger. Nach einer Energiekrise, der dazugehörigen Inflation und dem Debakel mit dem Heizungsgesetz, scheint keiner mehr so richtig Lust zu haben, über Klimaschutz und das Geld, das dafür nötig ist, zu sprechen. Schon gar nicht die Ampelkoalition. Aber die Zahlen des WWF zeigen: Darüber gesprochen werden muss trotzdem. Klimaschutz ist nicht weniger dringlich als das, was derzeit die Schlagzeilen bestimmt. Kein Faktor begrenzt das, was noch erreicht werden kann, so stark wie die Zeit. Jeder Tag, der ungenutzt oder auch nur ungenügend genutzt vergeht, macht die Aufgabe, die am nächsten Tag gelöst werden muss, noch größer.

Wie viele Tage schon ungenutzt verstrichen sind, hat dieses Jahr mit brutaler Härte gezeigt. Mit Hitzewellen in Südeuropa und Nordafrika, Überschwemmungen in Griechenland, Waldbränden noch nie dagewesenen Ausmaßes in Kanada. Und Temperaturkurven, die so deutlich über dem langjährigen Durchschnitt liegen, dass Forscherinnen und Forschern die Superlative auszugehen drohen. Aus der globalen Perspektive reingezoomt auf Deutschland heißt das: Es muss, es wird sich einiges ändern. Das gilt in jedem Fall, offen ist nur die Frage, wie kontrolliert es geschieht.

Soll dieser Wandel auf eine Art passieren, die den Wohlstand in Deutschland erhält, dann müssen sich in den kommenden Jahren sehr viele kleine und größere Stellschrauben gleichzeitig drehen. Und damit das passiert, braucht es häufig: Geld. Öffentliches Geld, das privates nach sich zieht. Hier die richtige Balance zu finden zwischen Förderung und Markt, zwischen Rahmenbedingungen, die eine klare Richtung vorgeben, und Dirigismus ist schwierig. Umso wichtiger wäre ein übergreifender Plan, was passieren muss – und wie viel Finanzierung es dafür braucht.

Das ist nichts, was eine Regierung einfach in einem Hinterzimmer entscheiden kann, es setzt eine öffentliche Debatte, auch harte Auseinandersetzungen darüber voraus, wo wirklich die begrenzten Mittel eingesetzt werden. Und das wiederum braucht: Aufmerksamkeit. Es wäre die Aufgabe der Bundesregierung, Klimaschutz als Thema nicht von der Agenda verschwinden zu lassen, auch wenn andere Krisen im Vordergrund stehen. Es wäre ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass ein Thema, dass seit dem Heizungsgesetz von vielen Menschen nur als Belastung wahrgenommen wird, auch wieder als Notwendigkeit gesehen wird, sogar als Chance.

Stattdessen ist man bei der SPD gar nicht so unzufrieden, dass das grüne Kernthema gerade keine Rolle spielt, die FDP verliert sich in Versuchen, den fossilen Status quo zu verlängern. Und die Grünen reden lieber auch nicht mehr so laut über Klimaschutz, aus Angst, noch weiter zurück in die Nische gedrängt zu werden. Ob diese Koalition noch die Kraft für die Größe der Aufgabe aufbringt, ist fraglich. Bis zur nächsten Bundestagswahl könnten viele Tage ungenutzt vergehen.

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Quelle:Berliner Morgenpost: Was fehlt, ist ein Plan / ein Kommentar von Theresa Martus zur Klimapolitik der Bundesregierung


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