Der Kunde bestimmt den Kurs/Die Bundeslandwirtschaftsministerin jubelt über den Boom der Biolebensmittel. Für eine umweltschonende Agrarwirtschaft braucht es aber mehr. Von Susanne Wiedamann

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Regensburg (ots) – Bio boomt. Das hört sich gut an und erfüllt viele mit Genugtuung, die seit Jahrzehnten die Vorteile der ökologischen Landwirtschaft predigen. Der Umsatz von Bio-Produkten ist 2020 laut Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner um 17 Prozent gestiegen. Laut einer neuen Umfrage greifen 37 Prozent der Befragten regelmäßig zu Bio. Der Anteil der Bio-Landwirtschaft an der Agrarfläche in Deutschland stieg 2019 auf 9,7 Prozent und soll bis 2030 auf 20 Prozent gesteigert werden. Also alles im Fluss?Die meisten der Käufer von Bio-Produkten versorgen sich in Supermärkten. Die großen Ketten haben es dank Mischkalkulation leichter, die Produkte zu vergleichsweise günstigeren Preisen anzubieten als Bioläden, die viele als generell “zu teuer” abtun. Wenn Ministerin Klöckner das vor 20 Jahren eingeführte staatliche Biosiegel feiert, so hat sie einerseits Recht. Das Siegel stärkte das Vertrauen in die Produkte, wirklich biologisch hergestellt zu sein, und die steigende Nachfrage stärkte das Interesse von Bauern an der ökologischen Landwirtschaft. Das staatliche Bio-Siegel legt aber nur Mindeststandards für Lebensmittel fest, die nach den EU-Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau produziert und kontrolliert wurden.Die Produkte vieler Öko-Anbauverbände wie Bioland, Naturland und Demeter gehen weit darüber hinaus, legen sehr viel geringere Mengen an erlaubten Zusatzstoffen fest als die Bundesrepublik mit ihrem Siegel und die EU. Wem es um artgerechte Haltung von Tieren geht, der sieht ebenfalls beim Vergleich der Siegel sehr viel strengere Vorgaben bei den Bio-Anbauverbänden, die das Gros der Produkte in Bioläden stellen.Die Landwirte im 21. Jahrhundert haben – ob biologisch oder konventionell arbeitend – oft das gleiche Problem. Vom Verkaufspreis bleibt bei ihnen zu wenig hängen. Biologische Landwirtschaft ist extrem aufwendig und braucht mehr Fläche. Traditionelles Wirtschaften ist oft hochtechnisiert, mit erheblichem chemisch-pharmazeutischem Einsatz, und deshalb auch kostenintensiv. Die Verbraucher, die sich bewusst für das Tierwohl einsetzen und biologisch erwirtschaftete, qualitätsvolle pflanzliche Nahrungsmittel mit geringen Rückständen und Zusatzstoffen haben wollen, müssen sich bewusst entscheiden: Reicht mir die staatliche Vorgabe oder will ich mehr? Und will ich’s billig, oder sind mir hochwertigere Biolebensmittel auch mehr Geld wert?!Die Bauern sind vor dem Hintergrund des Klimaschutzes und der Rettung der Artenvielfalt vor immer mehr Aufgaben gestellt. Die Landwirte beider Produktionsformen könnten voneinander lernen und ihre Arbeitsweisen angleichen. Agrarpolitik muss deshalb so gestaltet sein, dass die Staaten den Umbau in der Landwirtschaft hin zu mehr Ökologie, Umwelt- und Klimaschutz sowie Ressourcenschonung fördern, auch durch mehr Forschungsgelder. Gleichzeitig müssen sie die Landwirte so unterstützen, dass diese von ihrem schwierigen Geschäft auch leben können.Leistungen von Öko- und konventionellen Bauern für Artenschutz oder Tierwohl müssen in gleicher Weise gewürdigt werden. Vielleicht muss es ein zusätzliches Siegel geben, das – ob bio oder nicht – gesunde Lebensmittel, die umwelt-, klimaschonend und aus artgerecht gehaltenen Tieren hergestellt wurden, auszeichnet. Und die Verbraucher müssen verantwortungsbewusst in ihre Landwirtschaft investieren, sprich mehr Geld hinlegen. Der Kunde bestimmt den Kurs! Wer artgerechte Tierhaltung ohne Tierleid will, wird sich für die strengste Form von Bio entscheiden müssen. Es sei denn, die traditionelle Landwirtschaft wird reformiert. Daran wird seitens vieler Bauern auch schon gearbeitet.

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