Die routinierte Krisenmanagerin/Auch ihre womöglich letzte große Pressekonferenz absolvierte Bundeskanzlerin Angela Merkel professionell, sattelfest in den Details, aber ohne große Emotionen.

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Berlin (ots) – Als Angela Merkel, eigentlich Helmut Kohls “Mädchen für alles” aus dem Osten, vor über zwei Jahrzehnten Vorsitzende der CDU wurde, hielten das viele in der männlich dominierten Parteispitze eher für einen kurzfristigen Notbehelf. Die Pfarrerstocher aus der Uckermark und promovierte Physikerin wollte so gar nicht ins Karriere-Raster der regierungsverwöhnten Christdemokraten passen. Dass Angela Merkel jedoch eine 16-jährige Kanzlerinnenschaft hinlegen und dabei Höhen und Tiefen überstehen würde, glaubte seinerzeit wohl niemand. Merkel eingeschlossen.

Darüber, welche Überschrift sie ihrer langen Regierungszeit geben würde, mache sie sich keine Gedanken, meinte die Kanzlerin gestern bei ihrer womöglich letzten großen Pressekonferenz in Berlin. Viele historische Attribute an Bundeskanzler sind bereits vergeben. Konrad Adenauer war der erste Nachkriegskanzler, der die junge Bundesrepublik fest in der westlichen Gemeinschaft verankerte. Willy Brandt versöhnte mit den ehemaligen Kriegsgegnern im Osten Europas. Und Helmut Kohl trägt für immer den Mantel des Kanzlers der deutschen Einheit. Zu Angela Merkel würde noch am ehesten passen: die Kanzlerin, die Deutschland durch die Krisen führte. Sie bewährte sich gleich mehrfach als routinierte Krisenmanagerin. In der Finanzkrise 2008/09, in der das globale Finanzsystem zusammenzubrechen drohte. In der Flüchtlingskrise ab dem Sommer 2015 wiederum stand Merkel am Abgrund.

Die Zustimmung zu ihrer liberalen Asyl- und Aufnahmepolitik brachte ihr nicht nur viel Kritik der bayerischen Schwesterpartei ein, sondern auch heftige Angriffe und Attacken in der Öffentlichkeit. Der Stern Merkels schien, unter zu gehen. Doch mit preußisch-protestantischer Pflichtauffassung – und auch weil die Union keine wirkliche personelle Alternative aufzubieten hatte – blieb Merkel im Amt. Nach einem überaus langweiligen Wahlkampf – Sie kennen mich! – -schaffte sie es sogar noch in eine vierte Amtszeit.

Doch statt das Land weiterhin in einer großen Koalition relativ unaufgeregt regieren zu können, schlug die Corona-Krise im Frühjahr 2020 mit Macht zu. Und seit einer Woche fördert die dramatische Hochwasserkatastrophe Versäumnisse im Klimaschutz und im Schutz der Bevölkerung vor Wetterextremen brutal zu Tage. Angela Merkel bereiste von den Fluten heimgesuchte Gebiete – und fand dort die richtigen Worte aufrichtiger Anteilnahme und konkreter Hilfszusagen. Wenn es darauf ankommt, trifft die Kanzlerin den richtigen Ton und beherrscht die richtige Gestik. Damit ist sie dem Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet voraus, der sich in dieser Hinsicht nicht immer im Griff zu haben scheint. Wenn der Bundespräsident Betroffenen der Hochwasserkatastrophe sein Mitleid bekundet, darf jemand, der einmal das Land regieren möchte, nicht lachen.

So wie Angela Merkel gestern ihren Presseauftritt absolvierte, hat sie das Land auch 16 Jahre lang regiert: unaufgeregt, professionell, sattelfest bis in die Details hinein. Damit unterschied sie sich etwa von ihren beiden Vorgängern Kohl und Schröder, die sich eher um die großen politischen Linien kümmerten. Eine große Visionärin, eine begnadete Rednerin, die Marktplätze und Hallen begeistern kann, war und ist Merkel dagegen nicht. Und an ihren Emotionen lässt die einstige Physikerin nur selten teilhaben. Höchstens mal im kleinen Kreis. Das muss für eine Kanzlerin, von der jedes Wort auf die Goldwaage gelegt und auch international beachtet wird, nicht schlecht sein. So oder so hinterlässt Merkel ihrem Nachfolger, oder vielleicht sogar – aber nicht sehr wahrscheinlich – ihrer Nachfolgerin, ein großes Paar Schuhe. Und eine riesige politische Verantwortung.

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Mittelbayerische Zeitung
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