Flut legt Schwachstellen brutal offen/Deutschland wird viel mehr für den Schutz vor Katastrophen tun müssen. Das erfordert auch ein Umdenken in der Gesellschaft. Von Reinhard Zweigler

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Regensburg (ots) – Von der Katastrophe nach der Katastrophe sind die von der Flut betroffenen Gebiete im Westen Deutschlands am Wochenende verschont geblieben. Glücklicherweise ergoss sich der heraufziehende Starkregen nicht wieder über die Einzugsgebiete von Ahr, Erft oder Rur, wo sich vorletzte Woche die schlimmste Naturkatastrophe der jüngeren deutschen Geschichte ereignete. Auch das Berchtesgadener Land blieb von neuem Unheil verschont. Doch angesichts von – zu befürchtenden – Hunderten Flutopfern, von Milliardenschäden an Infrastruktur, an Gebäuden, an Hab und Gut von Menschen muss die Frage geklärt werden, wie das Land und seine Bewohner besser vor solchen Verheerungen geschützt werden können.Nach der noch längst nicht überstandenen Corona-Pandemie hat nun die Flut weitere Schwachstellen offengelegt. Und vor allem hat das Grundgefühl vieler Menschen, man lebe in einem sicheren Land, einen argen Dämpfer erhalten. In der Pandemie wurden etwa gravierende Mängel bei der Beschaffung und Verteilung von Masken und Impfstoffen zutage gefördert. Außerdem zeigte das hochentwickelte Land eklatante Schwächen bei der Ausrüstung, Leistungsfähigkeit und Verbreitung von digitaler Technik und Netzen. Die Digitalisierung, um die sich gleich mehrere Ministerien sowie private Firmen bemühen sollten, ist und bleibt eine große Baustelle.In der Flut wiederum wurde auf dramatische Weise das Fehlen eines robusten, flächendeckenden Warnsystems der Bevölkerung offen gelegt. Genau dies war übrigens eine Forderung von Experten vor zehn Jahren! Geschehen ist nach diesem Warnruf allerdings wenig bis nichts. Er ging offenbar unter im Dickicht von Zuständigkeiten, verschwand im Wust von Maßnahmeplänen und Anweisungen. Zwar hatte das von Bundesinnenminister Horst Seehofer aufgewertete Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe diverse Pläne aufgeschrieben und – nach der peinlichen Panne beim bundesweiten Warntag im Vorjahr – einen neuen Chef bekommen. Doch in der Katastrophe versagte dieses Bundesamt ziemlich kläglich. Es drang offenbar, wie auch die lange vorher ausgegebenen Unwetterwarnungen des Wetterdienstes, nicht bis zu den Katastrophenschutzbehörden in den Regionen durch. Oder die Brisanz der Warnungen wurde dort schlicht nicht erkannt. Trotz 150 Warnungen des Bundesamtes wurden die Menschen an den bedrohlich anschwellenden Flüssen viel zu spät oder gar nicht gewarnt. Der Meldekette fehlten entscheidende Glieder. Viele Menschen mussten diese verhängnisvollen Versäumnisse, das Kompetenzgerangel zwischen staatlichen Ebenen mit ihrem Leben bezahlen. In nur wenigen Orten heulten die Sirenen, um Menschen, die im Schlaf vom Hochwasser überrascht wurden, zu warnen. Diese Warninstrumente, die bei Feuer, Hochwasser und sonstigen Katastrophen ertönen, sollten schleunigst überall, wo sie in den vergangenen Jahren entfernt wurden, wieder angebracht werden. Und sie müssen zuverlässig funktionieren.Nach der Flut ist es zudem notwendig, Konsequenzen aus dem Wirrwarr von Warn-Apps zu ziehen. Die Warnsysteme fürs Handy, wie Katwarn der Versicherungswirtschaft oder Nina vom Bundesamt, haben größtenteils versagt. Dagegen könnte ein elektronisches Notfallwarnsystem, Cell Broadcast, eingesetzt werden, das Warnbotschaften an sämtliche Handys in den Funkzellen der Gefahrenzone verschickt. Doch die Wetterextreme im sich verändernden Klima lehren auch, dass die Gesellschaft viel mehr für vorbeugenden Katastrophenschutz tun muss, mehr Geld, mehr Technik, mehr Vorausschau bei der Planung und dem Bau von Infrastruktur und Gebäuden. Wir müssen uns sehr schnell auf weitere “Jahrhundert”-Katastrophen vorbereiten.

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