Heikles Terrain/Der Sport ist nicht unpolitisch. Wenn sich Athleten unter Berufung auf universelle Werte und die Menschenrechte positionieren, sollte das willkommen sein. Leitartikel von Heinz Gläser

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Regensburg (ots) – Die weltweite Empörung über den gewaltsamen Tod von George Floyd beginnt abzuebben, die “Black-Lives-Matter”-Bewegung, die sich in Demonstrationen rund um den Globus manifestierte, verliert an Schwung. Auch im Sport kehrt allmählich wieder der Alltag ein. Der gemeinsame Kniefall am Anstoßkreis, wie er unmittelbar nach der brutalen Tat beispielsweise im europäischen Profifußball als kraftvolles Zeichen gegen Rassismus und Diskriminierung einträchtig praktiziert wurde, weicht den üblichen Ritualen des Aufwärmens und Sich-Abklatschens. Kollektive Empörung hat eine Halbwertszeit. Diese verkürzt sich im Zeitalter des Internets zusehends.
Der Sport ist nicht unpolitisch. Er war es nie, auch wenn diese Mär von den Verbänden und Organisationen lange Zeit gehegt wurde. Die Funktionäre duckten sich lieber weg, beschworen die hehren Ideale des fairen Wettstreits und verorteten missliebige Vorkommnisse in den Sphären gesamtgesellschaftlicher Verantwortung. So lässt sich jede rassistisch motivierte Verbalinjurie auf einem x-beliebigen Dorffußballplatz ignorieren oder als Folklore verniedlichen.
Das beginnt sich gottlob zu ändern, auch wenn der Eifer sehr unterschiedlich ausgeprägt ist und sich oftmals noch in Aktionismus erschöpft. Das Fingerspitzengefühl, das der Deutsche Fußball-Bund nach dem sichtbaren Protest von Spielern in den Bundesliga-Stadien walten ließ, ist jedenfalls lobenswert.
Tatsächlich betritt der organisierte Sport ein heikles Terrain, wenn es um politische Statements von Athletinnen und Athleten beziehungsweise Verbänden und Vereinen geht. Denn wer definiert, welche Botschaften willkommen sind?
Die Regeln sind in dieser Hinsicht eindeutig formuliert. Auf dem Platz, in der Halle, auf der Bahn, während der Wettkämpfe hat Politik nichts zu suchen. Doch der Sport steht auch für universelle Werte, fernab jeder parteipolitisch gefärbten Meinungsäußerung. Er tritt aus seinem ureigensten Selbstverständnis heraus für Gleichheit und Gleichberechtigung sowie gegen jede Form von Diskriminierung an. Dass diese Ideale bis in die Gegenwart hinein in der Praxis oft mit Füßen getreten werden, steht auf einem anderen Blatt.
Es bleibt eine Gratwanderung. Zur Orientierung können die verbrieften Menschenrechte dienen. Sportlerinnen und Sportler, die sich im Sinne dieser Werte politisch positionieren, haben das Recht dazu. Ihre Meinungsäußerung ist nicht zu sanktionieren, sondern mindestens zu tolerieren. Im besten Fall ist sie als wünschenswert zu erachten, doch davor schrecken viele Funktionäre im Wissen um die Konsequenzen oftmals zurück.
Wer auf der unbedingten Einhaltung der Menschenrechte besteht, macht sich nicht überall auf der Welt Freunde. Und dass Unrechtsstaaten gerne die Bühne großer Sportveranstaltungen nutzen, um ihr internationales Renommee zu mehren, ist seit den Propagandaspielen von Berlin 1936 eine Binsenweisheit. In diesem Sinne sind gerade die großen Dachverbände wie das Internationale Olympische Komitee oder der Weltfußballverband Fifa noch mehr gefordert. Ihnen obliegt es, durch die Auswahl der Veranstalter von Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften klare Signale auszusenden, dass Menschenrechtsstandards nicht verhandelbar sind.
Parteipolitik hat im Sport nichts zu suchen. Das ist richtig und gut so. Der Protest gegen Rassismus, wie ihn der Tod von George Floyd provozierte, sollte dem Sport hingegen höchst willkommen sein. Mehr noch: Der organisierte Sport darf Athletinnen und Athleten, die sich im Kampf gegen jede Form von Diskriminierung engagieren, nicht alleine lassen. Denn wer ständig Fair Play predigt, muss dieses Prinzip auch auf die gesamtgesellschaftliche Realität übertragen.

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