Neues Jahr mit alten Risiken, Kommentar zur Autoindustrie von Joachim Herr

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Frankfurt (ots) –

Der Jahresausklang fällt versöhnlich aus. Im Dezember schossen die Neuzulassungen von Pkw in Deutschland um 38 Prozent nach oben. Die großen Premiumhersteller erzielten zum Schluss zweistellige Zuwächse: Der globale Absatz von Mercedes-Benz legte von Oktober bis Dezember verglichen mit dem Vorjahresquartal um 17 Prozent zu, der von BMW um 11 Prozent. Auch Audi gelang ein Anstieg.

Trotz der Rückgänge im gesamten Jahr waren es zwölf gute Monate für die Autoproduzenten: Der Mangel an Vorprodukten wie Halbleitern stand und steht immer noch am Beginn einer Kette aus einer starken Nachfrage und einem zu niedrigen Angebot, der er­heblichen Macht der Hersteller, höhere Preise durchzusetzen, und letztlich aus zum Teil rekordhohen Umsatzrenditen.

Damit ist es erst einmal vorbei mit den guten Nachrichten für die Branche. 2022 könnte für sie vorerst das beste Jahr gewesen sein. Der Grund ist nicht nur, dass sich die Versorgungslage mit Chips und anderen Komponenten entspannt und der Auftragsberg langsam schrumpft. Die hohe Inflation in vielen europäischen Ländern vermiest auch die Konsumlaune, was sich besonders auf die Nachfrage nach Massenmodellen auswirkt.

Die Anbieter im Premium- und obersten Luxussegment trifft dies weniger. Rolls-Royce, Bentley und Mercedes-Maybach erzielten im vergangenen Jahr sogar Absatzrekorde. Mercedes-Benz steigerte die Auslieferungen im mittleren Segment mit der C- und E-Klasse ebenfalls. Das lag zum Teil daran, dass diese Modelle in der Versorgung mit den knappen Halbleitern zu Lasten der A- und B-Klasse bevorzugt wurden.

Viel Unsicherheit und etliche Risiken stecken auch in diesem Jahr im größten Automarkt der Welt: Die plötzliche Lockerung der Coronapolitik in China und ihre Folgen werden in den Industrieländern mit Sorge beobachtet. Befürchtet werden abermals Störungen der Lieferketten und ein Anstieg der Preise für Rohstoffe und Vorprodukte.

Und auch aus einem ganz anderen Grund müssen sich die westlichen Autohersteller auf härtere Zeiten wegen China einstellen: Anbieter wie BYD, Geely und Nio beherrschen den heimischen Markt für Elektromobile und wollen als Nächstes in Europa erfolgreich werden.

Für Deutschland rechnen Experten jedoch nicht nur wegen der Inflation mit einem abgeschwächten Wachstum oder gar Rückgang des E-Auto-Markts. Die staatliche Förderung für den Kauf von Plug-in-Hybriden ist ausgelaufen, die für vollelektrische Autos wurde reduziert. Das löste Vorzieheffekte aus, die zum starken Jahresabschluss in der deutschen Statistik beitrugen. Erstmals machten im Dezember in einem Monat E-Pkw mehr als die Hälfe der Neuzulassungen aus.

Das Tempo auf dem Weg zur Elektromobilität bestimmen nicht nur der Kaufpreis und die staatlichen Anreize, sondern auch die Betriebskosten. Die kräftig gestiegenen Stromkosten und die inzwischen wieder deutlich gesunkenen Preise für Benzin und Diesel verringern ebenfalls die Attraktivität der E-Autos. Hinzu kommt der immer noch schleppende Ausbau der Ladeinfrastruktur in vielen Regionen der Welt. 2023 ist wieder ein Jahr mit vielen Unwägbarkeiten und Widrigkeiten für die Automobilindustrie. So viel ist sicher.

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Quelle:Neues Jahr mit alten Risiken, Kommentar zur Autoindustrie von Joachim Herr


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