Verlängerung mit Kehrseiten/Das Kurzarbeitergeld könnte auf 24 Monate ausgedehnt werden – die Idee ist sinnvoll. Doch das darf nicht dazu dienen, Veränderungen aufzuschieben.Leitartikel von Jana Wolf

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Regensburg (ots) – Im Englischen gibt es den schönen Spruch: Never change a running system – also: Ein laufendes System sollte man nicht verändern. Diese alte Weisheit aus der Informatik lässt sich in der aktuellen Krise auf die Arbeitsmarktpolitik übertragen. Die Kurzarbeit, die sich schon während der Finanzkrise 2008/2009 bewährt hatte, hat auch in den ersten fünf Corona-Monaten Schlimmeres verhindert. Historische 6,7 Millionen Menschen in Deutschland arbeiteten im Mai kurz, im Juli waren es laut ifo-Institut immer noch satte 5,6 Millionen. In Bayern mit seiner exportorientieren Industrien wird die Kurzarbeit besonders stark genutzt, mehr als in jedem anderen Bundesland. Kaum auszudenken, in welcher Lage wir heute wären, wenn Millionen von Beschäftigten stattdessen in die Arbeitslosigkeit gestürzt wären, wie das derzeit in den USA zu beobachten ist. Die Kurzarbeit hat den Arbeitsmarkt am Laufen gehalten. Und an einem Instrument, das sich bewährt hat, sollte man festhalten.
Die Idee, das Kurzarbeitergeld zu verlängern, ist daher sinnvoll. Statt der bisher geplanten zwölf Monate soll die Bezugsdauer auf 24 ausgeweitet werden. Finanzminister Olaf Scholz spricht sich dafür aus, ebenso Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Auch Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich offen für die Verlängerung. Ob der prominenten Fürsprecher spricht einiges dafür, dass die Ausweitung tatsächlich kommt. Über die genaue Ausgestaltung soll laut Bundesregierung in einem Koalitionsausschuss beraten werden. Beim nächsten Zusammentreffen am kommenden Dienstag könnte es dann schon so weit sein.
Nun kann man die Kurzarbeit gutheißen – und darf dennoch die Gesamtlage nicht ausblenden. Denn die schiere Zahl der Betroffenen zeigt, wie hart unsere Wirtschaft von der Krise getroffen wurde. Viele Arbeitnehmer sind verunsichert, weil das Unternehmen, für das sie arbeiten, offensichtlich in Schieflage geraten ist. Gerade für Kleinverdiener und Familien bringen die finanziellen Einbußen in der Kurzarbeit Härten mit sich. Dabei kommen nicht alle mit einem blauen Auge davon: Beschäftige verlieren ihre Arbeit. Allein im für Bayern wichtigen Maschinenbau-Sektor gingen im ersten Halbjahr 2020 bundesweit 32 000 Jobs verloren. Insgesamt ist die Zahl der Erwerbstätigen im Vergleich zum Vorquartal um 1,4 Prozent gesunken – so stark wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Mit den aktuell steigenden Corona-Infektionszahlen wächst auch die Verunsicherung weiter an, bei Arbeitnehmern wie Arbeitgebern.
Ökonomen sind sich dennoch weitgehend einig darin, dass die Kurzarbeit der entscheidende Stabilisator für den Arbeitsmarkt in der Krise ist. Sie hält nicht nur Menschen in Lohn und Brot, sondern auch Wissen und Erfahrung in den Unternehmen. Wird die Konjunktur wieder angekurbelt, können sie flexibel reagieren und auf bewährtes Know-how ihrer Mitarbeiter schnell zurückgreifen.
Ökonomen sind sich allerdings auch einig, dass die Kurzarbeit nur ein kurzfristiger Krisenhelfer sein kann. Sie darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Branchen sich inmitten einer langfristigen Transformation befinden. Die hohen Jobverluste im Maschinenbau sind eben nur zu einem Teil Folge der Corona-Krise. Zu einem anderen Teil sind die einem anhaltenden Strukturwandel geschuldet, den Corona zwar verschärft, aber nicht ausgelöst hat. Die Veränderung hin zu neuen Technologien und nachhaltigerem Wirtschaften darf durch staatliche Unterstützung nicht verschleppt werden. Um es deutlich zu machen: Überholte Technologien und marode Geschäftsmodelle dürfen nicht mit Mitteln wie der Kurzarbeit künstlich über die Krise gerettet werden. Sie sollen dazu dienen, Arbeitsplätze zu retten. Nicht dazu, den Druck zur Erneuerung abzupuffern.

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Quelle:Verlängerung mit Kehrseiten/Das Kurzarbeitergeld könnte auf 24 Monate ausgedehnt werden – die Idee ist sinnvoll. Doch das darf nicht dazu dienen, Veränderungen aufzuschieben.Leitartikel von Jana Wolf


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