Zum Fürchten / Kommentar von Jens Kleindienst zur Wahl in Frankreich

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Mainz (ots) –

Bis vor wenigen Tagen schien alles klar in Frankreich: Amtsinhaber Emmanuel Macron und Marine Le Pen qualifizieren sich bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl am Sonntag fürs Finale, das Macron am 24. April dann mit gebührendem Vorsprung für sich entscheidet. Fünf weitere Jahre mit dem liberalen Reformer und überzeugten Europäer Macron – was denn sonst? Doch plötzlich ist alles anders. Nicht nur, dass die Vorsitzende des extrem rechten Rassemblement National in den Umfragen stark aufgeholt hat, erstmals trauen Demoskopen Le Pen im zweiten Wahlgang einen Sieg zu. Dann hätte unserer wichtigster Nachbar seine eigene “Zeitenwende”, und zwar eine, vor der man sich in Deutschland und Europa fürchten muss. Wie ist da passiert? Es kommt eine ganze Menge zusammen. Als erstes ein Präsident, der es in seiner Überheblichkeit nicht für nötig gehalten hat, Wahlkampf zu machen. Auf den letzten Drücker reichte Macron seine Kandidatur ein, dann schwänzte er alle Fernsehdebatten, die die Franzosen exzessiv konsumieren. Er habe keine Zeit für Wahlkampf, sondern müsse sich um den Frieden kümmern, ließ Macron verlauten. Der ist ja wirklich in Gefahr, aber sich einfach der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner entziehen? Das goutiert der französische Souverän nicht. Marine Le Pen hat derweil fleißig Stimmen gesammelt. Geschickt versteckte sie ihren reaktionären Kern unter einer Sozialstaat-Kampagne und traf damit den Nerv vieler Landsleute. Macron hat in den vergangenen Jahren einiges für die Gering- und Mittelverdiener getan. Dennoch haftet ihm das Image eines Präsidenten der Reichen und der urbanen Zentren an. Le Pen inszeniert sich als Anwältin der vernachlässigten Provinz und verspricht zudem, sich um die Kaufkraft der Franzosen zu kümmern. Die schmilzt gerade wie bretonische Butter in der Mittelmeersonne, so empfinden es zumindest die generell zum Pessimismus neigenden Franzosen. Auch wenn sie ihre radikale Programmatik nicht aufgegeben hat, überlässt Le Pen ausländerfeindliche Parolen ihrem rechten Konkurrenten Éric Zemmour, einem Rassisten übelster Sorte. Er hat das Wählerreservoir der extremen Rechten vergrößert, seine Anhänger werden am 24. April für Le Pen stimmen. Und die anderen Kandidaten? Die Konservative Valérie Pécresse hat Zemmours Parolen teilweise übernommen und sich damit ins Aus manövriert. Auf der anderen Seite des Spektrums dominiert einmal mehr Jean-Luc Mélenchon, ein französischer Lafontaine, der mit seinen Anti-EU-Parolen keine Alternative für gemäßigte Linke ist. Die Franzosen sind um ihre Wahl am Sonntag nicht zu beneiden.

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