taz-Kommentar von Michael Braun zur geplatzten Koalition in Italien

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Berlin (ots) – Renzis riskanter Egotrip

Welcher Teufel reitet Matteo Renzi? Der frühere Ministerpräsident und heutige Chef der Kleinpartei Italia Viva glaubt, ausgerechnet mitten in der Pandemie, mitten in der durch sie ausgelösten tiefen ökonomischen und sozialen Krise müsse er Italien auch noch eine Regierungskrise bescheren.Unter Ministerpräsident Giuseppe Conte hat die Regierung gerade im Angesicht der Coronapandemie insgesamt einen ordentlichen Job gemacht, hat sie sowohl in der ersten Welle im März als auch in der zweiten Welle von Oktober an ins-gesamt entschlossen reagiert.

Gewiss, wie andere Regierungen in Europa auch hätte sie im Herbst früher zu härteren Maßnahmen schreiten müssen – aber es war und ist ausgerechnet immer wieder Renzis Italia Viva, die sich gegen weitere Einschränkungen in Schule, Wirtschaft, Privatleben sträubte. Die Bekämpfung der Pandemie könne nicht der einzige Daseinszweck einer Regierung sein, tönte Renzi auf seiner Pressekonferenz, auf der er am Mittwochabend den Koalitionsbruch verkündete. Dann aber kam er zur Sache – besser zu der Person, die ihn wirklich stört: Giuseppe Conte.

Conte muss weg – dies ist Renzis eigentliche Botschaft. Dabei hatte er selbst, nach dem Bruch der Koalition zwischen den Fünf Sternen und der rechtspopulistischen Lega (auch sie schon unter Conte), an der Wiege der zweiten Regierung Conte mit ihrer Koalition aus Fünf Sternen, der gemäßigt linken Partito Democratico (PD) und der kleinen radikal linken Liste Liberi e Uguali (LeU) gestanden.

Renzi wollte sich seinerzeit wohl nur Zeit er-kaufen, um die PD, zu der er damals noch ge-hörte, spalten und seine eigene Partei Italia Viva gründen zu können. Italia Viva (“Lebendiges Italien”) kam dann auch, doch sie erwies sich schnell als Totgeburt, die in den Meinungsumfragen bei 3 Prozent herumkrebst. Den Traum, zum italieni-schen Macron zu werden, musste Renzi begraben. Schlimmer noch, die PD und die Fünf Sterne ar-beiteten gerade in der Pandemie zwar nicht reibungslos, aber insgesamt doch recht gut zusam-men – und Renzi stand im Abseits, hatte kaum etwas zu melden.

Renzi hat vorerst nur erreicht, dass sich die anderen drei Koalitionspartner geeinter denn je hinter Conte scharen, dass sie Renzis Vorgehen als “gegen das Land gerichtet” brandmarken. Und er darf sich über den Applaus der Rechtsopposition freuen, die unter der Führung der Lega jetzt wieder die Morgenluft schneller Neuwahlen wittert. Renzi gilt als Spieler, der gerne hoch pokert. Doch diesmal könnte er sich verzockt haben.

Pressekontakt:

taz – die tageszeitung
Wolfgang Gast
Telefon: +49 30 25902 255
meinung@taz.de

Quelle:taz-Kommentar von Michael Braun zur geplatzten Koalition in Italien


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